BAT – Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerbegleitung

Trauer und Trauerphasen

Trauer ist die natürliche Reaktion des Menschen auf einen Verlust. Die Welt verändert sich von heute auf morgen und Betroffene müssen lernen mit den neuen Lebensbedingungen zu leben.


Trauer ist ein Prozess, der für jeden Menschen anders abläuft. Die Dauer und die Intensität des Trauerweges sind so unterschiedlich wie Menschen sind.


Körperliche Schmerzen, wie zum Beispiel Stechen in der Brust, Atemnot, Schlaflosigkeit,.. gehören ebenso dazu wie seelische Schmerzen: Wut, Zorn, Ohnmacht, aber auch Gefühle von Erleichterung, Dankbarkeit und vieles mehr.


In der Trauer fühlen sich viele Menschen von ihrer Umgebung, von Freunden nicht verstanden, nicht wahr- und ernstgenommen. Der tiefe Schmerz und das Ausmaß der Gefühle sind für Außenstehende kaum nachvollziehbar.


Wer die Prozesse der Trauer allgemein besser verstehen will, erhält Hilfe in psychotherapeutischen Konzepten wie z.B. von Verena Kast, welche die Phasen der Trauer beschrieben hat, oder bei William Worden, der den Trauerprozess als Aufgaben, die es zu lösen gilt, beschreibt.


Wichtig: Alle solchen Konzepte sind weder als allgemein gültig zu verstehen (im Sinne von „Das ist immer so“, „Das trifft bei jedem zu“) noch haben sie einen normativen Charakter („So soll es sein“, „So trauert man richtig“)!


Hier eine kurze Darstellung der beiden, exemplarisch ausgewählten, Erklärungsmodelle:


Verena Kast, Prof. Dr. phil. Psychologin und Psychotherapeutin, Professorin an der Universität Zürich, Lehranalytikerin des C.G. Jung Institutes, Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie, Habilitationsschrift: "Die Bedeutung der Trauer im therapeutischen Prozess" Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Kreuz Stuttgart 1982.

Einleitung: Jedes prozesshafte Geschehen hat einen klaren Beginn, das ist z.B. der Tod des geliebten Menschen und ein klares Ende, das ist die Neuorientierung des gesamten Lebensgefüges.

  • 1. Trauerphase: Nicht-Wahrhaben-Wollen
    Der Tod eines Menschen schockiert immer, auch wenn er nicht unerwartet kommt. Verzweiflung, Hilflosigkeit, Leugnung des Todes, man will es nicht glauben, Erstarrung, Apathie, manche Menschen geraten außer Kontrolle, brechen zusammen, … Diese Phase kann wenige Stunden bis mehrere Wochen dauern.
  • 2. Trauerphase: Aufbrechende Emotionen
    Gefühle bahnen sich nun ihren Weg. Leid, Schmerz, Wut, Zorn, Freude, Traurigkeit und Angst, je nach der Persönlichkeitsstruktur des Trauernden herrschen verschiedene Gefühle vor. Hadern mit Gott: warum lässt Gott das zu, was habe ich getan? Schuldgefühle: was hätte ich tun können, sollen, müssen? Fragen und Zweifel: was soll nun aus mir werden? Vorwürfe; wie konntest du mir das antun? Warum immer ich? Die Dauer dieser Phase lässt sich nur schwer abschätzen, man spricht etwa von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten.
  • 3. Trauerphase: Suchen und Sich-Trennen
    Auf jeden Verlust reagieren wir mit Suchen. Der reale Mensch wird gesucht, Orte der Erinnerung aufgesucht, in anderen Menschen werden die Gesichtszüge des Verstorbenen gesucht, Gewohnheiten zum Teil übernommen. Gemeinsame Erlebnisse als Teil der Beziehung werden wie Edelsteine gesammelt, innere Zwiegespräche helfen bei Entscheidungen und Beziehungsklärung, es entsteht oft ein starkes Begegnungsgefühl. Das ist sehr schmerzlich, aber auch sehr schön. Je mehr gefunden wird, was weitergegeben werden kann, umso leichter fällt eine Trennung vom Toten, von der Toten. Dieses Suchen lässt aber auch oft eine tiefe Verzweiflung entstehen, weil die Dunkelheit noch zu mächtig ist. Suizidale Gedanken sind in dieser Phase relativ häufig. Diese Phase kann Wochen, Monate oder Jahre dauern.
  • 4. Trauerphase: Neuer Selbst- und Weltbezug
    Nachdem man seinen Schmerz herausschreien, anklagen und Vorwürfe machen durfte, kehrt allmählich innere Ruhe und Frieden in die Seele zurück.
    Langsam erkennt man, dass das Leben weitergeht und dass man dafür verantwortlich ist. Es kommt die Zeit, in der man wieder neue Pläne schmieden kann. Der Trauerprozess hat Spuren hinterlassen, die Einstellung des/der Trauernden zum Leben hat sich meist völlig verändert. Der/Die Verstorbene bleibt ein Teil dieses Lebens und lebt weiter in den Erinnerungen und im Gedenken.


Die Phasen der Trauer sind jedoch nicht immer linear zu durchschreiten, oftmals wiederholen sie sich und können auch ganz durcheinander geraten. Jeder Trauerweg ist einzigartig und Konzepte können nur eine kleine Hilfe im Verstehen darstellen.






J. William Worden , amerikanischer Psychologieprofessor, vergleicht den Trauerprozess mit dem körperlichen Heilungsprozess nach einer schweren Krankheit (Trauer braucht Zeit), aber auch mit dem Wachstumsprozess eines Kindes. Weiters zitiert er (Stroebe, 1992) Trauer als kognitiven Prozess, der es erforderlich macht, sich mit den eigenen Gedanken, der Verlusterfahrung und der veränderten Welt zu konfrontieren und diese neu zu strukturieren – es handelt sich somit um echte „Trauerarbeit“.

  • 1. Aufgabe: Den Verlust als Realität akzeptieren:
    Akzeptieren, dass der Betreffende tot ist und nicht wiederkommen wird, ein Wiedersehen in diesem Leben nicht mehr möglich ist.
  • 2. Aufgabe: Den Schmerz verarbeiten:
    „pain“ psychisch, physisch, emotional, verhaltensspezifisches Leid, der Schmerz muss anerkannt, zugelassen und durchgearbeitet werden, schwierig macht das die Abwehrhaltung der Umwelt, sodass manche Menschen den Schmerz ein Leben lang mitschleppen.
  • 3. Aufgabe: Sich an eine Welt ohne die verstorbene Person anpassen:
    Oft wird später erst klar, welche Rollen, Aufgaben der Verstorbene hatte, die wegfallen – externe Anpassung (an den Alltag), interne Anpassung (Gefühl für das eigene Selbst), spirituelle Anpassung (eigener Überzeugungen, Werte, Annahmen über die Welt); Trauernde fühlen sich manchmal ziellos, wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, es geht um die Anerkennung der veränderten Realität.
  • 4. Aufgabe: Eine dauerhafte Verbindung zu der verstorbenen Person inmitten des Aufbruchs in ein neues Leben finden
    (d.h. die Bindung zur verstorbenen Person behalten, diese jedoch emotional neu zu verorten, um sich so dem eigenen Leben zuwenden zu können): Die letzte Aufgabe besteht darin, sich von dem Dahingegangenen gefühlsmäßig abzulösen, damit die freigewordene emotionale Energie in eine andere Beziehung investiert werden kann. Es soll ein passender Platz im Leben gefunden werden, der wichtig ist, aber Platz für andere lässt.


Der Trauerprozess ist dann abgeschlossen, wenn die Trauernden kein Bedürfnis mehr haben, die Erinnerung an die tote Person mit übertriebener Intensität im Alltag zu reaktivieren, ein (neuer) Sinn für das eigene Leben gefunden ist und im Optimalfall das Erlebte zur persönlichen Weiterentwicklung genutzt werden kann.